Donnerstag, 11. Oktober 2012

by quengelexemplar on 10/12/2012

Keine Ahnung, ob es mich weniger stark getroffen hätte, wenn ich nicht ohnehin – schon wieder! -  krank und verletzlich im Bett gelegen hätte. Andererseits: kaum auszumalen, wenn mich die Nachricht auf der Arbeit ereilt hätte und ich vor meinen Kollegen um diesen Sänger geweint hätte, den ich nicht kannte, der mir nur etwas bedeutete. Man bekommt ja so schnell diesen gewissen Ruf.

Ich kam gerade vom Kotzen und klaubte auf dem Weg zum Bett den Laptop auf, weil ich hoffte, dort etwas Ablenkung von meinem vergifteten Kopf zu finden; ich schaute dem Computer beim Starten zu und der Feedreader wurde geladen, in dem mir als erstes ein Kotzendes-Einhorn-Post mit dem unheilverheißenden Titel “Danke, Nils” ins Auge stach. Der Rest war Schmerz. Mir war nach Schreien. Vielleicht habe ich auch geschrien.

Ich kann nicht von mir behaupten, schon seit Jahren ein Nils-Koppruch- oder Fink-Connaisseur gewesen zu sein, dafür kannte ich auch zu wenig. Gehört habe ich bislang nur “Haiku Ambulanz”, das vorletzte Fink-, und “Den Teufel tun”, sein erstes Solo-Album. Beide haben Interesse, teilweise auch großes Wohlgefallen in mir geweckt, aber letzten Endes gingen sie unter im reißenden Strom neuer Musik, der jeden Tag in mein Leben gespült wird. Ich war leider auch einer dieser Leute, die dafür gesorgt hatten, dass Nils sein Leben lang nicht von der Musik leben konnte. Auch mir waren viele seiner Songs zu widerborstig, die Lyrics zu kryptisch, mit zu wenig Identifikationspotential. Kettcar waren da einfacher zu goutieren. Mit anderen Worten: ich war zu dumm.

Und ich wäre es geblieben, wenn Nils nicht noch im letzten Moment über einen Umweg in mein Herz gefunden hätte. Der Umweg hieß “Kid Kopphausen”. Gisbert zu Knyphausen, neben Koppruch der zweite Kopf hinter der Band, hatte ich verstanden, mehr noch: geliebt, und dementsprechend offene Ohren für das, was er mit dieser neuen Band auf die Beine stellte. Schon im YouTube-Appetizer war ich beeindruckt von Koppruchs bärtiger Granitfresse und seiner Stilsicherheit. Ein Coolness-Vorbild. Jetzt löste auch diese lebensweise Stimme etwas in mir aus, vielleicht musste ich erst ein bisschen älter werden. Das Album war dann ein Aha-Erlebnis. Wäre es ein Contest zwischen Nils und Gisbert gewesen, hätte Nils ihn mit seinen Stücken für sich entschieden. Das war Southern Gothic aus Deutschland; Musik wie ich sie von Bands wie 16 Horsepower schon lange liebte. Ich war beeindruckt, wie Koppruch diesen Sound in hiesige Verhältnisse übersetzte, ohne dass es nach Karl-May-Wilder-Westen klang.

Dann der Secret Gig am 30. August in der Prinzenbar. Fuck, das ist nicht einmal zwei Monate her. Ich bin rückblickend unendlich dankbar, unter den handverlesenen Gästen gewesen zu sein und doch schmerzt es so sehr, mir diesen Abend wieder ins Gedächtnis zu rufen. Wie Nils kurz vor Beginn an unserem Tisch vorbeilief, um die Frau am Merchandise-Stand zu begrüßen. Er war schon eine Erscheinung in seinem Anzug und seiner Nonchalance. Einer aus unserer Gruppe stand der Mund offen, wie sie so einen Meter entfernt von diesem Helden an ihrem Tisch saß und ich fühlte mich ähnlich, musste aber natürlich den Abgeklärten geben. Auge in Auge mit den Stars, das kennen wir in Hamburg. Nach der Show – der ersten Show! – dieser schon so eingespielten Band war dann kein Platz mehr für Abgeklärtheit. Wie eindringlich und traurig diese Songs waren! Und wie launig die Ansagen! Was für geniale Musiker, was für liebenswerte Typen! Wir traten auf die Straße wie betrunken.

Und nun ist Nils tot. Auf das “I” betitelte Kid-Kopphausen-Album wird keine “II” mehr folgen. Vorhin habe ich mir noch einmal das vergnügte Video zum Album-Opener “Hier bin ich” angesehen und konnte es kaum aushalten. Kaum auszudenken, was der Rest mit mir anrichten würden. So viele schöne Lieder! Doch ich kann sie vorerst nicht mehr hören.

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