Samstag, 8. Dezember 2012 – Sonntag, 9. Dezember 2012

by quengelexemplar on 12/11/2012

Den ganzen Tag rumliegen und Filme schauen. Als Kind hieß das “Krank sein”, heute nennen wir es “Cocooning”. Erwachsen sein ist super. Noch nicht einmal Übelkeit oder eklige Medizin muss man für dieses Vergnügen in Kauf nehmen. Nur ein vernehmliches Knacken im Rücken, wenn man sich nach Stunden wieder von der Couch erhebt.

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Freitag, 7. Dezember 2012

by quengelexemplar on 12/11/2012

Weihnachtsfeier ist, wenn der prekär entlohnte Callcenter-Agent mal ordentliches Essen in den Magen bekommt. Guter Wein verursacht einen viel erhabeneren Kopfschmerz als der tägliche Disstress. Und wie der Chef tanzen kann! Fast wie ein richtiger Mensch! Ich will ihn in die Arme schließen und ihm danach ordentlich die Meinung geigen. Konsequenzen hätte ich sicher nicht zu befürchten, denn Weihnachtsfeiern sind auch so eine Art Karneval in schicker Kleidung. Die Paarungsakte auf der Toilette bleiben allerdings aus. Unsere ausgemergelten Callcenter-Körper haben schon genug mit der Bewältigung der ungewohnten Nährstoffe zu tun.

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Donnerstag, 6. Dezember 2012

by quengelexemplar on 12/9/2012

Ich hatte ja völlig vergessen, wie klein so ein Neugeborenes ist! Meine Vorstellung war verzerrt, da die Exemplare, die man so auf der Straße aus Kinderwägen und Tragetüchern schauen sieht, meistens schon ein paar Tage älter sind und Babys in Hollywood-Filmen im Schnitt bei der Geburt ca. 10 Kilo auf die Wage bringen. Und jetzt sehe ich dieses zwei Wochen alte Kind und bin entzückt über diese kleinen Hände und Füße und die Grimassen in diesem winzigen Gesicht! Auch vom Habitus kommt es ganz nach seinen Eltern, ist also arschcool. Auch wenn ich vielleicht zu viel in den lässigen Gesichtsausdruck hinein interpretiere.

Apropos Eltern: ein wenig Angst hatte ich ja schon, dass sie jetzt verloren sind an den Club der ätzenden Eltern. Eine Zeitlang hatte ich den Eindruck, dass Elternschaft zu einer Ausschüttung komischer Hormone führt, die einem jegliche Erträglichkeit raubt. Hier bekomme ich nur Gegenteiliges zu sehen: T. und R. sind ganz die Alten – nur glücklicher und viel, viel müder. Sie machen keinen Hehl daraus, neben allem was sie gewonnen haben auch ein großes Stück Selbstbestimmtheit verloren zu haben, tun also nicht so, als lebten sie jetzt in rosa Zuckerwattewelten. Alles gut. Wir haben einen sehr schönen Abend.

Als Steffi sich zum Schluss vom Baby verabschiedet, hebt es kurz und lässig die Hand und wir sind versucht, dies für einen Zufall zu halten, bis es auch mir zum Abschied zuwinkt.

Auf dem Weg nach Hause horche ich in mich hinein, ob dieser Abend irgendetwas geändert hat, aber nein. Babys sind super. Der Kinderwunsch bleibt trotzdem weiterhin aus.

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Mittwoch, 5. Dezember 2012

by quengelexemplar on 12/8/2012

Was für ein Eiertanz! Seitdem unser angsteinflößender It-Mensch mit der donnernden Stimme, dem grimmigen Gesicht und der riesenhaften Gestalt mich neulich gefragt hat, was ich denn gegen ihn habe – ich gucke wohl immer komisch, wenn ich ihn sehe – versuche ich immer krampfhaft nicht “Töte mich nicht!”, sondern “Ach, schau an, der liebe Kollege!” zu denken, wenn wir uns auf dem Flur begegnen. Das Ergebnis ist jedes Mal verheerend: meine Gliedmaßen verheddern sich, mein Lächeln gefriert, ich laufe irgendwo gegen und der Kollege fühlt sich noch ein Stückchen weniger wertgeschätzt ob dieser Reaktion.

Heute schon wieder: ich schlendere, ein belegtes Brötchen kauend, durch den Gang, als plötzlich ein riesiger Schatten aus dem IT-Büro tritt. Mit vollem Mund und erstickter Stimme krächze ich ihm ein “Mahlzeit!” entgegen und stoße dann frontal mit der Datenschutztonne zusammen. Getroffen atmet er tief ein, um mir dann demonstrativ freundlich “Guten Appetit! Lass’ es dir schmecken!” hinterherzurufen. Ich bedanke mich ebenso demonstrativ freundlich, aber mit zitterndem Timbre und wir wissen beide, dass mein “Ja, danke schön!” nichts anderes als “Lass mich bitte am Leben!” zu bedeuten hat.

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Dienstag, 4. Dezember 2012

by quengelexemplar on 12/5/2012

Ein Tag wie im Schützengraben, an dem Salven über Salven von Fragen auf dich niederprasseln. Einige Gespräche zerreißen dich fast.

Das Krankenhaus aus Philadelphia, das den Versicherungsumfang einer Versicherten erfragen möchte. Und du verhedderst dich heillos im deutschen Gesundheitssystem und dem englischen Fachvokabular, bis nur stotterndes Schweigen und dein hochroter Kopf übrig sind. “Do we have the possibility to call you back?”

Am Ende, schon im Mantel, stellst du zitternd dein Glas auf statt in die Spülmaschine und musst dich von B. anpampen lassen, ob du das zu Hause auch so machst. Dann brichst du ihm die Nase.

Die wirst ihm an diesem Abend noch ziemlich häufig die Nase brechen.

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