Archive of published posts on Dezember, 2012

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Montag, 17. Dezember 2012

12/19/2012

Schade, dass ich nie die zu packen bekomme, die für das Elend verantwortlich sind. Die Chefs sind es sicher nicht. “Wir wollen nur das Beste, für dich, für die anderen Mitarbeiter”, schauen sie einen aus Meerschweinchenaugen an. Und das schlimme ist: sie wollen es wirklich! Sie können nur nicht wie sie wollen, wegen der Chefs der Chefs.

Die Chefs der Chefs sind natürlich nicht so empathisch wie die Chefs. Es reicht ja wohl aus, dass sie sich sehr schön unsere Namen gemerkt haben! Außerdem wollen auch sie nichts Böses, wie sowieso die meisten Menschen erstaunlich energisch zum Guten hinstreben. Wenn wir uns biegen, ducken, strecken müssen, begründen sie es mit Sachzwängen. Das Schlimme dabei ist: es gibt diese Zwänge wirklich! Und wenn wir uns nicht danach richten, gucken wir irgendwann noch viel dümmer als jetzt.

Oben, unten, links und rechts nichts als wohlmeinende Menschen. Ratlos lässt mein Hass seine Fäuste ins Leere sausen.

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Montag, 10. Dezember – Sonntag, 16. Dezember 2012

12/17/2012

Die Woche beginnt einem Paukenschlag, wobei die Pauke aus rosa Wolken besteht und mit dem Horn eines Einhorns geschlagen wird. Ich tanze zur SMS “Dein iPhone ist da!” durch die Büroräumlichkeiten. Die Kollegen, die mitgefiebert haben, als ginge es um die Geburt eines Kindes, freuen sich überschwänglich. Abends findet die Liebste mich vor, wie ich mit groben Fingern selig auf ein unverschämt scharfes Display einpatsche. Nur sehr langsam kehre ich in die Realität zurück. Wenn es so etwas wie Vorzeichen gäbe, wäre dieser euphorische Beginn ein Omen für eine legendäre restliche Woche. In dieser Welt ohne Magie bleibt der Montag der einzige völlig ungetrübte Tag.

Zu den Merkwürdigkeiten meines Jobs gehört es, dass ich mittlerweile in einer Position bin, in der mir zwar immer noch eine surreal niedrige Zahl von meinen Lohnabrechnungen entgegen springt, ich aber dennoch hin und wieder Verantwortung trage und Autorität besitze. Und was sich bereits am Dienstag andeutet, wird am Mittwoch Realität: ein Kollege benimmt sich derart daneben, dass ich “ein ernstes Gespräch” mit ihm führen muss. Merkwürdig, in dieser Position zu sein, ich komme ich mir wie ein Schauspieler vor. Geht man nach der lobenden E-Mail, die ich im am Abend von einem der Teamleiter bekomme, spiele ich allerdings ziemlich gut und meine Rolle tut und sagt anscheinend die richtigen Dinge. Trotzdem habe ich am nächsten Tag Migräne.

Am Donnerstag und Freitag müssen ratsuchende Kunden also auf meine Weisheit verzichten. Da ich Arztbesuche hasse, schiebe ich das obligatorische Erbetteln des gelben Scheines bis auf den Freitag Nachmittag. Als ich dann mit eingetrübtem Herzen vor dem Ärztehaus stehe, finde ich an der Tür einen freundlichen Zettel, dass der Doktor aufgrund einer Fortbildung nicht zugegen sei. Fuck(ed)!

Falls mein Arzt nicht sehr, sehr freundlich ist und mir (widerrechtlich) morgen eine rückwirkende Krankschreibung ausstellt, habe ich mich somit in Rekordzeit von der Rolle des Disziplinierers in eine Rolle, die ich noch mehr hasse, nämlich die des zu Disziplinierenden begeben. Am allermeisten hasse ich dabei, mich in einem System aufhalten zu müssen, in dem einen solche Albernheiten in halbe Lebenskrisen stürzen oder zumindest das Wochenende versauen. Ich meine – ich habe am Samstag ernsthaft angefangen, mich mit Ratgeberliteratur zu befassen! Willkommen ganz unten.

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Samstag, 8. Dezember 2012 – Sonntag, 9. Dezember 2012

12/11/2012

Den ganzen Tag rumliegen und Filme schauen. Als Kind hieß das “Krank sein”, heute nennen wir es “Cocooning”. Erwachsen sein ist super. Noch nicht einmal Übelkeit oder eklige Medizin muss man für dieses Vergnügen in Kauf nehmen. Nur ein vernehmliches Knacken im Rücken, wenn man sich nach Stunden wieder von der Couch erhebt.

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Freitag, 7. Dezember 2012

12/11/2012

Weihnachtsfeier ist, wenn der prekär entlohnte Callcenter-Agent mal ordentliches Essen in den Magen bekommt. Guter Wein verursacht einen viel erhabeneren Kopfschmerz als der tägliche Disstress. Und wie der Chef tanzen kann! Fast wie ein richtiger Mensch! Ich will ihn in die Arme schließen und ihm danach ordentlich die Meinung geigen. Konsequenzen hätte ich sicher nicht zu befürchten, denn Weihnachtsfeiern sind auch so eine Art Karneval in schicker Kleidung. Die Paarungsakte auf der Toilette bleiben allerdings aus. Unsere ausgemergelten Callcenter-Körper haben schon genug mit der Bewältigung der ungewohnten Nährstoffe zu tun.

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Donnerstag, 6. Dezember 2012

12/9/2012

Ich hatte ja völlig vergessen, wie klein so ein Neugeborenes ist! Meine Vorstellung war verzerrt, da die Exemplare, die man so auf der Straße aus Kinderwägen und Tragetüchern schauen sieht, meistens schon ein paar Tage älter sind und Babys in Hollywood-Filmen im Schnitt bei der Geburt ca. 10 Kilo auf die Wage bringen. Und jetzt sehe ich dieses zwei Wochen alte Kind und bin entzückt über diese kleinen Hände und Füße und die Grimassen in diesem winzigen Gesicht! Auch vom Habitus kommt es ganz nach seinen Eltern, ist also arschcool. Auch wenn ich vielleicht zu viel in den lässigen Gesichtsausdruck hinein interpretiere.

Apropos Eltern: ein wenig Angst hatte ich ja schon, dass sie jetzt verloren sind an den Club der ätzenden Eltern. Eine Zeitlang hatte ich den Eindruck, dass Elternschaft zu einer Ausschüttung komischer Hormone führt, die einem jegliche Erträglichkeit raubt. Hier bekomme ich nur Gegenteiliges zu sehen: T. und R. sind ganz die Alten – nur glücklicher und viel, viel müder. Sie machen keinen Hehl daraus, neben allem was sie gewonnen haben auch ein großes Stück Selbstbestimmtheit verloren zu haben, tun also nicht so, als lebten sie jetzt in rosa Zuckerwattewelten. Alles gut. Wir haben einen sehr schönen Abend.

Als Steffi sich zum Schluss vom Baby verabschiedet, hebt es kurz und lässig die Hand und wir sind versucht, dies für einen Zufall zu halten, bis es auch mir zum Abschied zuwinkt.

Auf dem Weg nach Hause horche ich in mich hinein, ob dieser Abend irgendetwas geändert hat, aber nein. Babys sind super. Der Kinderwunsch bleibt trotzdem weiterhin aus.

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